Bleib mal kurz dran, ja?



Wir reden am Telefon über die sonderbare Situation, sich nicht vergleichen zu können. Es fühlt sich an, wie die Lust auf eine Zigarette: Sehnsucht, Lust, Sucht, Impulskontrollaussetzer und Umsetzung, Erlösung. Der bittere Geschmack im Mund. Das Brennen in der Brust. Und der unterdrückte Husten klingt fast wie Reue. Du magst dich vergleichen, aber dieses Mal geht das nicht. Keine Zigarette, kein Feuer. Irgendwie schön, dass Menschen zu einem Feuerzeug Feuer sagen. Feuerzeug. Als wäre ein Ventilator ein Windzeug. Und ein Wasserhahn Wasserzeug. 
 Sie fragt dich, weil sie so schlau ist, so clever, wie jemand sein müsste, damit du das gewünschte Vergleichsgefühl erreichst. Was hoffst du, zu sehen? Was hoffst du, nicht zu finden? Und natürlich, weil sie dich so gut kennt, läufst du mit der Frage in das soeben selbst geschaufelte Grab. Sich zu vergleichen ist zwangsläufig verbunden mit traurigen Konsequenzen. 
 Was denn, wenn die Person „besser“ ist? Heller, leichter, leiser, dünner, feiner, sanfter, größer, weiter, stärker, unauffälliger, bequemer, zarter, heiler, wärmer. Und dann? 
 Was denn, wenn die Person „schlechter“ ist? Kleiner, dicker, lauter, dümmer, gemeiner, unreifer, gröber, klobiger, kantiger, kälter, schroffer, härter, loser, opportunistischer, dunkler, roher. Und dann? 
Spannend auch, dass sich einige Adjektive derselben Liste widersprechen
 Wir kommen wieder an dem Punkt an, an dem wir vorher waren: Du weißt nicht, was du wert bist, wenn es dir niemand anderes sagt. Das ist ziemlich traurig. Dein Wunsch, ein anderer Mensch zu sein, ist eigentlich der Wunsch danach, so zu sein, dass du gemocht wirst. Wir zwei wissen ganz genau, dass, egal was sich ändert, immer dasselbe Ergebnis wartet. Irgendwann, irgendwo – wir wissen eigentlich, wann; wir wissen genau, wo - lerntest du, dass du nicht liebenswert bist, wie Radfahren. Wie verlernt man so etwas basales, tiefgreifendes? 
 Doch unter der Dusche denkst du, dass du so behandelt werden möchtest, wie du andere behandelst. Den gewährten Vertrauensvorschuss, die Nachsicht, den Vorbehalt. Das alles magst du auch haben. Und je nebeliger das Bad wird, je heißer das Wasser, desto klarer und kristalliner wird das Bewusstsein. Du weißt schon, was du verdient hast. Du weißt, was du wert bist: das, was du anderen gibst. Wärme, Zuneigung, Humor, Bewunderung, Aufmerksamkeit, Raum. Raum. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit willst du auch gar nicht schön sein. Du willst gewertschätzt werden. Du sagst nur „Ich wäre gern (hier füge man Adjektiv aus obigen Listen ein)“, weil dir die richtigen Worte fehlen. Du willst nicht talentierter sein, du willst nicht schöner sein, du willst nicht die Vergleichsperson sein. Du willst du sein. Und dann so gewollt werden, wie du bist und willst. Du willst dich. Und das ist doch was Schönes?

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